Anzère: Zwei fantastische neue Rekordhalter

SIEGE FÜR BERGUERAND UND BRATSCHI Mit seinem endlich einwandfrei laufenden Lola fuhr Eric Berguerand beim Bergrennen Ayent–Anzère einen Tagessieg in Rekordzeit heraus. Ronnie Bratschi erzielte bei den Tourenwagen trotz eines Unfalls ebenfalls einen Fabelrekord. Weil Marcel Steiner auf seinen alten Martini-BMW-Sportwagen zurückgreifen musste, hatte Eric Berguerand in Anzère keinen ebenbürtigen Gegner. Der Lokalmatador liess sich […]

Der Frontspoiler von Force India F1, der neue Motor und das Fahrkönnen von Eric Berguerand gipfelten in einem neuen Streckenrekord in Anzère (Fotos: Peter Wyss).

Weil Marcel Steiner auf seinen alten Martini-BMW-Sportwagen zurückgreifen musste, hatte Eric Berguerand in Anzère keinen ebenbürtigen Gegner. Der Lokalmatador liess sich jedoch nicht lumpen und zeigte sich mit dem endlich einwandfrei laufenden Lola-Cosworth in glänzender Form.

Da der Regen das Geschehen nur am späteren Samstagnachmittag beeinträchtigte, herrschten in den drei Rennläufen vom Sonntag ideale Bedingungen. Nachdem er im ersten Durchgang den bisherigen Streckenrekord von Joël Volluz im Osella FA30 von 2015 nur um zwei Zehntel verfehlt hatte, verbesserte er diesen mit einem Satz neuer Rennreifen am frühen Nachmittag bei Sonnenschein von 1’28,096 auf 1’27,851.

Je älter, desto besser: Die Freude über den Tagessieg in Rekordzeit ist Eric Berguerands anzusehen.

Formel-1-Aerodynamik zeigt Wirkung
Das war jedoch noch nicht alles. Kurz nach 18 Uhr trat der Walliser als letzter Pilot zum dritten Lauf auf der 3500 langen und teilweise neu asphaltierten Piste an. Diesmal stoppte die Uhr sogar bei 1’26,992, was einem Schnitt von 144,8 km/h entspricht.

Ein von Force India F1 stammender Frontspoiler, der von Berguerand selbst entworfene neue flache Unterboden und das stärkere Renntriebwerk verfehlten ihre Wirkung nicht. Entsprechend glücklich zeigte sich Berguerand nach dem fünften Tagessieg auf seiner Heimstrecke.

Eric Berguerand: „Für mich hat die Rennsaison 2018 erst hier richtig begonnen. Das ist ein völlig neues Fahrgefühl. Dieser Motor schiebt richtig an, auch passt nun die Aerodynamik. Das ist der Lohn für die vielen Arbeitsstunden. Es geht noch schneller. Das Auto ist noch nicht so, wie ich es haben will, aber wir haben schöne Fortschritte gemacht. Nachdem mir Marcel meine Rekorde in Hemberg und Reitnau entrissen hat, freue ich mich, dass ich nun hier auf dieselbe Weise zurückschlagen konnte.“

Marcel Steiner holte das Optimum aus dem alten Martini-BMW.

Das Optimum für Marcel Steiner
Steiner selbst bot mit dem Martini MK77, einem ehemaligen CN-Sportwagen mit Jahrgang 1997, ebenfalls eine bemerkenswerte Leistung. Der Titelverteidiger fühlte sich auf Anhieb wohl und fuhr im Rennen gut fünf Sekunden schneller als bei seinem letzten Anzère-Auftritt mit diesem Auto im Jahr 2010.

Mit zwei 1’32er-Zeiten sicherte sich der Titelverteidiger den zweiten Gesamtrang. Mit dem moderneren LobArt-Mugen wäre er sicher schneller, aber vielleicht nicht besser platziert gewesen. 2017 fuhr er damit 1’29,5 – eine deutliche Steigerung wäre also auch von ihm nötig gewesen…

Marcel Steiner: „Es hat richtig Freude gemacht, wieder einmal mit dem Martini zu fahren. Dieses Auto fährt sich auch einfacher als der LobArt, nur fehlt ihm halt mit gut 100 PS weniger der Schnauf. Das Wochenende war optimal, ich habe mein Möglichstes getan und weitere wertvolle Punkte für die Meisterschaft geholt.“

Diese führt der Berner nach Saisonhalbzeit (4 von 8 Rennen) mit 74 Punkten klar vor Christian Balmer (62), Marcel Maurer (61) und Eric Berguerand (47) an.

Es ist zum Verzweifeln: Womöglich war Anzère 2018 vorerst das letzte Rennen von Thomas Amweg mit dem Lola Formel 3000.

Fortschritte bei Robin Faustini
Der dritte Gesamtrang ging verdient an Robin Faustini. Der 20-jährige Aargauer zeigte sein bisher bestes Rennen mit dem neu angeschafften Reynard K01. Mit 1’33,357 erzielte er im morgendlichen Lauf eine selbst noch nicht für mögliche gehaltene persönliche Bestzeit.

Unter Wert geschlagen wurde dafür Thomas Amweg, der in seinem besten Rennlauf am Morgen weniger als eine Sekunde schneller war als 2016 mit dem Dallara-Mercedes F3. Irgendwo im Lola F3000 steckt ein Wurm, der ein Motorstottern in Haarnadeln bewirkt und sein Team fast zur Verzweiflung bringt.

Zudem ist Thomas momentan gesundheitlich so angeschlagen, dass er sich in ärztliche Obhut begeben muss. Das Kapitel F3000 ist für ihn momentan abgehakt, in St-Ursanne wird er auf jeden Fall nicht starten, wohl auch bei den folgenden Rennen nicht.

Philip Egli ist nicht nur zwischen den Slalomtoren pfeilschnell, sondern auch am Berg.

Philip Egli knapp über den Formel-2-Rekorden
Glänzender Sieger in der Zweiliter-Rennwagenklasse wurde Philip Egli im mittlerweile formelfreien Dallara-Opel EPR-1. Seine drei 1’35er-Zeiten, die nur noch weniger als eine Sekunde über den früheren Formel-2-Rekorden der Bergspezialisten Murisier und Sourd liegen, reichten zum vierten Gesamtrang.

Massongex-Tagessieger Marcel Maurer war auch mit dem zweiten Klassenrang im Formel Renault Midland zufrieden. Immerhin gab er Joël Grand, der sich erst ans neue und noch nicht perfekt abgestimmte Auto gewöhnen muss, und Christian Balmer, der den Ferienort Anzère mehr liebt als die Rennstrecke, in ihren Tatuus-Honda F-Master das Nachsehen.

Mit den Beschädigungen an seinem Mitsubishi Evo VIII fuhr Ronnie Bratschi zuerst die zweitschnellste Zeit, ehe er nach einer Notreparatur einen Fabelrekord für Tourenwagen aufstellte.

Unerschrockener Ronnie Bratschi
Überragender Mann bei den Tourenwagen war Ronnie Bratschi. Der Urner zeigte nicht nur grosses Fahrkönnen, sondern auch unerhörten Mut und Entschlossenheit.

Im ersten Rennlauf touchierte er mit dem rechten Vorderwagen die Leitplanken so heftig, dass die Karosserieteile wegflogen. Dass dabei auch die Kolbenstange im Stossdämpfer gekrümmt wurde, ergab erst die Obduktion des Schadens.

Trotzdem erzielte Bratschi mit 1’40,059 die zweitschnellste Tourenwagenzeit hinter Roger Schnellmann. Der Vorjahressieger erzielte mit seinem Mitsubishi-Monster in 1’39,073 ebenfalls eine persönliche Bestzeit.

In der Mittagspause vermochte Bratschis Crew den Mitsubishi so weit herzurichten, dass er wenigstens einen zweiten Lauf absolvieren konnte. Trotz gebrochenem Frontrahmen und herunterhängendem Spoiler verbesserte er Reto Meisels Rekord von 2017 um 1,3 Sekunden auf unfassbare 1’36,843.

Mit Erlaubnis der Jury musste der SM-Leader nicht mehr zum dritten Lauf antreten. Schnellmann gelang nur noch eine 1’39er-Zeit. Mit fast 1,5 Sekunden Rückstand musste sich der Schwyzer in der Addition der zwei schnelleren Läufe klar geschlagen geben. Rang 3 ging an Thomas Kessler in einem weiteren Mitsubishi Evo VIII.

Gérard Nicolas brachte Meister Frédéric Neff in Bedrängnis, Doch an der Hierarchie änderte sich nichts.

Ianniellos IS-Rekord bleibt bestehen
In der Gruppe Interswiss trennten Frédéric Neff nach zwei Läufen nur neun Zehntel von Gérard Nicolas im Ford Escort WRC. Schliesslich behielt der Meister mit seinem Porsche 996 GT3-R doch klar die Oberhand. Der Superrekord des abwesenden Bruno Ianniello im Lancia Delta S4 von 2001 geriet aber nie in Gefahr.

Die Berg-Meisterschaft der Tourenwagen führt Bratschi mit dem dritten Rekord in vier Rennen mit 98 Punkten vor dem konkurrenzlos in der SuperSerie siegenden Andy Feigenwinter im Lotus Exige mit 87,5 und Neff mit 79 Zählern an.

Nach einer vierwöchigen Pause geht die Meisterschaft am 18./19. August mit dem EM-Lauf St-Ursanne–Les Rangiers weiter. Da Eric Berguerand seit seinem Horrorcrash von 2007 dort nie mehr starten wird, ist Marcel Steiner dann wieder der einsame Favorit.

ayent-anzere.ch

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