St-Ursanne: Faggioli setzt die Siegesserie fort

KAMPF AUF HOHEM NIVEAU Das Duell der beiden Italiener Simone Faggioli und Christian Merli führte beim Schweizer EM-Lauf wider Erwarten nicht zu einem neuen Streckenrekord. Hochstehend war es trotzdem. Marcel Steiner war der schnellste Schweizer. Das Wetter war beim 75. Int. Bergrennen St-Ursanne–Les Rangiers optimal und die 5,18 km lange Strecke um einen weiteren Kilometer […]

Die drei schnellsten Rennsportwagen beim Schweizer EM-Lauf 2018: der Norma von Faggioli, der LobArt von Steiner und der Osella von Merli (Fotos: Peter Wyss).

Das Wetter war beim 75. Int. Bergrennen St-Ursanne–Les Rangiers optimal und die 5,18 km lange Strecke um einen weiteren Kilometer im Bereich der ultraschnellen Kurve Les Grippons im Vorfeld neu asphaltiert worden. Ideale Bedingungen also.

Mit Europameister Simone Faggioli und seinem jahrelangen Herausforderer Christian Merli lieferten sich zudem die zwei weltbesten Bergrennfahrer der Gegenwart mit ebenbürtigem Material das erwartet hochstehende Duell um den Tagessieg beim Schweizer Lauf zur Berg-EM. Und trotzdem geriet der im Vorjahr von Merli aufgestellte Streckenrekord von 1’41,53 nie ernsthaft in Gefahr.

Probleme bei den beiden Favoriten
Der Südtiroler haderte sichtbar mit der Abstimmung seines Osella FA30 mit aktiver Vorderradaufhängung. Nachdem er in allen drei Trainingsläufen der Schnellste war, lag Merli mit dem verschalten Rennwagen nach dem ersten Rennlauf um 1,4 Sekunden hinter Faggioli.

Allerdings hatten die Sportwagenpiloten noch eine saubere Piste, während sich die schnellsten Rennwagenfahrer mit einer gereinigten Ölspur abfinden mussten.

Auch der seit mehr als zwei Monaten wieder einmal in Europa gestartete Faggioli war mit der Balance des für 2018 weiterentwickelten Norma M20 FC noch nicht restlos zufrieden. Als sich der Noch-Europameister im zweiten Durchgang nur von 1’42,70 auf 1’42,10 zu steigern vermochte, war er sich seiner Führung nicht mehr sicher.

Simone Faggioli: „Der neue Norma hat Potenzial, aber ich kann es noch nicht ausschöpfen. Wir arbeiten sukzessive daran. Wenn du in Les Grippons, die ich mit dem letztjährigen Auto problemlos voll durchfuhr, plötzlich ins Übersteuern gerätst, versetzt dir das einen Schrecken. Ich denke, Christian fährt nun einen neuen Rekord.“

Podium 2018: Christian Merli, Simone Faggioli und Marcel Steiner.

Merli vor dem ersten EM-Titel
Der Florentiner täuschte sich. Sein Herausforderer setzte nicht mehr alles auf eine Karte und blieb zwei Zehntel über Faggiolis Tagesbestzeit. Mit 1,592 Sekunden Vorsprung fiel dessen achter Sieg beim Schweizer EM-Lauf relativ deutlich aus.

Im Hinterkopf hatte Merli die vollen Punkte für die Berg-EM, die ihn einen grossen Schritt Richtung Titel bringen. In der Schweiz kassierte der in der Gruppe CN startende Andrea Bormolini auf einem Osella-BMW nämlich die erste Saisonniederlage gegen seinen überraschend starken Landsmann Francesco Turatello auf einem Zweiliter-Osella.

Unzufriedener Marcel Steiner
Klare Nummer 3 war zunächst Marcel Steiner mit dem exotischen LobArt inmitten der vielen Norma und Osella. Im zweiten Lauf gelang ihm nur noch eine minime Verbesserung auf 1’47,42, während sich die Verfolger Fausto Bormolini im Reynard-Cosworth K01 und Diego de Gaspari im Ex-Faggioli-Osella FA30 um zwei Sekunden und mehr auf tiefere 1’47er-Zeiten steigerten.

Obwohl er nach Laufzeiten nur der fünftbeste Fahrer war, erzielte Steiner den angestrebten dritten Gesamtrang. Somit ergab sich dasselbe Podium wie 2017.

Trotzdem war der Schweizer Meister ob des Rückstands von 10,3 Sekunden auf Faggioli in der Addition der beiden Läufe und des knappen Vorsprungs von 1,5 auf Altmeister Bormolini (fuhr bis 2018 noch nie unter 1’50 und nun 1’47,4) und 1,8 auf Neuling De Gaspari nicht recht glücklich.

Marcel Steiner: „Auto, Fahrer und Zeiten waren nicht wirklich top. Mit dem Osella FA30 fuhr ich hier schon 1’45. Vom Gefühl her habe ich angegast, aber in den Waldpassagen zog der Motor irgendwie nicht richtig.“

Zweitschnellster Schweizer: Fabien Bouduban auf einem Norma-Zytek aus dem Team Faggioli.

Kampf um die SM-Medaillenränge
Immerhin sammelte der Berner in Abwesenheit von Eric Berguerand (fährt hier seit dem Unfall von 2007 nie mehr) 25 wertvolle SM-Punkte, mit denen er die Tabellenführung ausbaute. Zweitschnellster Schweizer war der Jurassier Fabien Boudupan im früheren Norma von Teamchef Faggioli mit bereits 13,3 Sekunden Rückstand auf Steiner.

Fabien Bouduban: „Der Umstieg vom Zwei- auf den Dreiliter-Norma ist frappant. Das Auto ist grösser, schwerer und schneller. Dies auszuloten, braucht Zeit, wobei Simone und Faggioli in einer eigenen Liga à la Weltmeisterschaft fahren.“

Bei seinem ersten Start mit dem Reynard K01 auf der schnellsten Strecke im SM-Kalender steigerte sich Robin Faustini von 2’03,4 im ersten Training auf 1’53,6 im zweiten Rennlauf. Dies brachte dem 20-jährigen Aargauer den neunten Gesamtrang und den dritten Platz in der Schweizer Wertung ein. Diesen strebt Faustini auch in der Meisterschaft an.

Noch nie so schnell war Marcel Maurer im Formel Renault Midland am Berg unterwegs, was ihm bei den Zweilitern den zweiten Rang hinter dem unschlagbaren Franzosen Billy Ritchen auf einem Dallara-Mercedes F3 einbrachte. Als viertbester Schweizer verwies er Jean-Marc Salomon, Joël Grand (beide Tatuus-Honda FM) und Christophe Weber (Dallara-Opel F3) auf die Plätze.

Nur die am Samstag anwesenden Zuschauer sahen ein Feuerwerk von Reto Meisel. Es war sein zweiter und letzter Auftritt bei einem Schweizer Rennen im 2018.

Defekthexe lässt Reto Meisel nicht los
Als schnellster Fahrer mit Dach über dem Kopf kam Reto Meisel mit dem in der Gruppe E2-SH (Silhouette) eingeteilten Mercedes SLK340 als einziger im Training unter die Zweiminuten-Barriere (1’58,799).

Leider versagte vor dem Start zum ersten Rennlauf einmal mehr der Anlasser des zickigen Eigenbaus seinen Dienst. Schade, dass die Zuschauer so am Sonntag nicht in den Genuss des akustischen und optischen Leckerbissens kamen.

Hingegen erlebten sie andere Tourenwagenpiloten in Hochform. Ronnie Bratschi blieb im zweiten Lauf mit seinem gegen 750 pS starken Mitsubishi nur knapp über zwei Minuten, unterbot damit seinen eigenen Klassenrekord von 2016 und gewann das Gesamtklassement sämtlicher Tourenwagen und GT-Fahrzeuge.

Dieses hatte am Morgen noch Pierre Courroye im einzigartigen McLaren MP4 12C mit einem Wahnsinnszeit von 2’02 angeführt – immerhin fuhr der 23-jährige Franzose zuvor noch nie auf dieser Strecke.

Frédéric Neff machte sein Vorhaben wahr und erzielte am Sonntag den einzigen Gruppenrekord.

Einziger Gruppenrekord des Tages durch Frédéric Neff
Nach dem ersten Lauf lagen Bratschi, Nicolas Werver und Thomas Kessler hinter Courroye noch innerhalb einer Sekunde. Beim Angriffsversuch auf den Urner versenkte der Franzose seinen Porsche 997 GT2 in der letzten Haarnadelkurve vor dem Ziel. Platz 2 in der Gruppe E1 ging so an Kessler, der mit seinem Mitsubishi Evo VIII die bisher beste Saisonleistung bot.

Der dritte Platz ging nach Wervers Ausfall an Romeo Nüssli im Ford Escort Cosworth. Ihm lag diese horrend schnelle Strecke einst schon in der Formel 3 nicht besonders, zudem sehnt er sich nach Regen…

Beeindruckend einmal mehr Michel Zemp, der mit dem frontgetriebenen Cupra Leon TCR die viertschnellste Tourenwagenzeit, ob der er selbst erschrak, erzielte!

Sogar Frédéric Neff war um einen Tick langsamer, obwohl er mit seinem Porsche 996 GT3 R frühmorgens um 7.38 Uhr die angekündigte Rekordzeit in der Gruppe Interswiss realisierte.

Mit den zwei Zusatzpunkten nähert er sich den an der Tabellenspitze liegenden Bratschi und SuperSerie-Sieger Andy Feigenwinter im Lotus Exigie 430 Cup. Sie machen die SM-Medaillenränge unter sich aus.

rangiers.ch

 

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