Schweiz: Mit frischem Elan an die Bergrennen

ES TUT SICH WAS In zwei Monaten läutet Hemberg die Berg-SM 2022 ein. Einige Top-Piloten starten zuvor im Ausland. Wir haben bei ihnen nach dem Stand der Dinge gefragt.

Am zweiten Juni-Wochenende geht es in Hemberg los mit der Schweizer Berg-Meisterschaft 2022. Zuschauer und Fahrer freuen sich darauf.

Idyllischer liegt kein Zielort der Schweizer Bergrennen. Ganz Hemberg zieht mit, damit dieser Motorsportanlass im Toggenburg zum Gelingen kommt. Das nächste Mal am Wochenende vom 11./12. Juni als Auftakt zur Schweizer Berg-Meisterschaft 2022.

Nach zweieinhalb Jahren organisatorischer Pause, die auf das bisher letzte Bergrennen Hemberg im Juni 2019 folgte, sei es aber gar nicht so einfach und selbstverständlich gewesen, gleich wieder richtig in Schwung zu kommen, gibt OK-Präsident Christian Schmid zu.

Rückkehr von Eric Berguerand
Ähnlich dürfte es manchen Fahrern ergehen, die seither kein oder nur wenige Bergrennen bestritten. Allen voran Eric Berguerand.

Der sechsfache und seit Ende 2019 amtierende Schweizer Bergmeister hat seinen optimalen Lola-Cosworth kaum angefasst und sich erst diesen Mittwoch auf einem kleinen Circuit in Frankreich wieder mal hinter dessen Steuer gesetzt.

Beim Funktionstest wollte der zweifache Familienvater herausfinden, ob er überhaupt noch Fahrfreude empfindet. Tut er bestimmt. Sein erstes Rennen will er probehalber am 1. Mai beim Slalom Bière absolvieren, bevor er in Hemberg zur Titelverteidigung antritt.

Marcel Steiners zweiter Turbo-Anlauf
Obwohl vorgesehen, hat auch sein Herausforderer Marcel Steiner kaum mehr Übung seit dem letzten SM-Lauf 2019. Das von Helftec neuentwickelte Turbotriebwerk für den LobArt-Sportwagen erwies sich 2020 und 2021 bei mehreren Probeläufen als störanfällig, soll nun aber dank robusterer Kolben einsatzbereit sein.

Erster geplanter Einsatz ist am 30. April/1. Mai das Int. Bergrennen Abreschviller in Lothringen (F).

Marcel Steiner: «Ich kann das Potenzial noch nicht einschätzen. Ich hoffe, dass wir in die richtige Richtung gearbeitet haben.»

Robin Faustini hält den Ball flach
Einziger nationaler Tagessieger seit dem SM-Finale 2019 war Robin Faustini im vergangenen Jahr in Oberhallau. Weil der Aargauer mit dem Fahrverhalten des Osella FA30 aber nicht zufrieden war, steckte er seither viel Arbeit in den verschalten Rennwagen.

Ob dieses «Wahnsinnserfolgs», wie er ihn selbst nennt, macht er sich keine Illusionen für die Zukunft.

Robin Faustini: «Eric und Marcel starteten nicht in Oberhallau, zudem hatte ich Glück mit dem Wetter. Es ist schön, gewonnen zu haben, aber wenn es 2022 normal weitergeht, dann muss ich und das Auto zulegen. Ich bin motiviert, aber es wird nicht einfach sein, wieder ein Rennen zu gewinnen.»

Während der Pandemie feierte Robin Faustini am Steuer des Osella FA30 in Oberhallau einen Nationalen Tagessieg. Zurück zur Normalität, hängen die Trauben wieder höher (Fotos: Peter Wyss).

Thomas Amweg wechselt den F3000-Boldien
Ein altes Gesamtsiegerauto wird 2022 in neuer Aufmachung bei den Schweizer Bergrennen auftauchen. Thomas Amwegs Sponsor Phimmoracing alias Hans Peter hat den ehemaligen Reynard 95D F3000 von Jean-Jacques Dufaux und Joël Volluz in seinem Fuhrpark aufgenommen.

Der Rennwagen erhielt inzwischen einige Verbesserungen, auch in Bezug auf die Sicherheit. Dessen Vorteil gegenüber dem Lola B99/50, mit dem er 2019 am Gurnigel gewann, erklärt Amweg mit dem besseren Leistungsgewicht.

Zwei Gelegenheitsstarter im Osella FA30
Stichwort Volluz. Wie vor drei Jahren wird der Walliser das eine oder andere Bergrennen bestreiten, hat es aber nicht auf die Meisterschaft abgesehen. Mit seinem Osella FA30 wird Volluz, wo immer er am Start ist, sicher ein Wort um Tagessiege reden.

Dasselbe Modell wird auch der Deutsche Alexander Hin in Oberhallau und St-Ursanne an den Start bringen. Der mit zunehmendem Alter schneller werdende «Häuslebauer» hat den bisher vom Vorarlberger Christoph Lampert bewegten Osella FA30 erworben.

Michel Zemp träumt vom Aufstieg
Von solch einem Dreiliter-Rennsportwagen kann Michel Zemp vorderhand nur träumen. Der Langnauer will sich mit dem Norma-Honda weiter steigern und in die Phalanx der «Grossen» einbrechen.

Zemp gibt zu, dass er auf die Chance hofft, einmal mit einem Fahrzeug aus der PS-stärksten Klasse um Tagessieger zu fahren. Das Talent dazu hat er zweifellos.

Sie gehören zu den besten Bergpiloten der Schweiz (stehend von links): Martin Bürki, Frédéric Neff, Marcel Steiner, Michel Zemp, Roger Schnellmann, Thomas Amweg und Robin Faustini. Sitzend (auf einem neuen Tattuus F4 von Jenzer Motorsport) Titelverteidiger Eric Berguerand.

Suche nach Nachfolger von Andy Feigenwinter
Bei den Tourenwagen ist sicher, dass Andy Feigenwinter seinen 2019 errungenen Titel nicht verteidigen wird. Vizemeister Roger Schnellmann will mit seinem Mitsubishi-Monster „nach Lust und Laune“ antreten, weil es aber nur noch „gute“ Bergrennen gäbe (nach der Absage von Massongex), wohl bei allen. Mit so einem potenten Auto komme es aber halt immer auch auf die Defekthexe an, wägt er seine Titelchance ab.

Mitsubishi-Kollege Ronnie Bratschi konzentriert sich derweil auf die Europameisterschaft. Weil unsicher war, ob es in seiner Gruppe 1 genügend Startende gäbe, liess er den Auftakt in Frankreich sausen (es wären mit ihm sogar vier statt nur drei nötige Topautos gewesen). Auch überlegt er sich gut, ein halbes Jahr nach dem FIA Masters gleich wieder die weiter Reise nach Portugal und dann weiter nach Spanien anzutreten mit der Gefahr, dass es nur halbe Punkte gibt.

Fred Neff im Porsche-Turbo-Monster
Zurück in die Schweiz. Zwei klingende Namen kehren mit neuen Rennfahrzeugen an den Berg zurück. Frédéric Neffs Porsche GT2 R geht der Vollendung entgegen. Der von Eggenberger Motorenbau entwickelte Biturbo könnte gegen 900 PS leisten, wenn es der Bernjurassier denn will.

Anfänglich wird er jedoch mit reduzierter Leistung fahren, was in der Gruppe InterSwiss gegen die erwartete Porsche-GT3-Armada auch während des Lernprozesses noch reichen sollte, wenn die Technik mitspielt.

Martin Bürkis Herzensangelegenheit
Und schliesslich bringt Martin Bürki ein mit viel Erinnerungen verbundenes Auto zurück. Von der Familie seines vor drei Jahren verstorbenen Freundes Jürg Beiner konnte der umtriebige Garagier den vom Bündner bis 2018 bei Slaloms eingesetzten BMW M3 GTR V8 erwerben.

In den Neuaufbau hat der mehrfache Slalom-Meister und Berg-Cup-Sieger viel Zeit investiert und in Hockenheim auch schon eine erfolgreiche Testfahrt unter Rennbedingungen absolviert.

Martin Bürki: «Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, mit diesem Auto noch ein paar gute Resultate zu erzielen. Ich kenne es gut und weiss, dass ich das Potenzial umsetzen kann.»

In der Gruppe E1 wird sich also mancher Turbo- und/oder Allradpilot warm anziehen müssen.

Wiedersehen mit dem Auto macht Freude, die Erinnerung an dessen Fahrer löst Trauer aus. Jürg Beiner in Aktion mit dem BMW M3 GTR beim Slalom Chamblon 2018, der letzten Saison des Bündners.

bergrennen-hemberg.ch

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