Porsche: Die Spinne im Computernetz
WICHTIGE VORARBEIT Der Porsche-Rennsimulator ist ein hungriges Hightech-Monster, das sich von Daten ernährt. In ihm trainiert Neel Jani das in der Formel E so wichtige Energiemanagement. Die Anlage füllt den grossen fensterlosen Raum. Neel Jani klettert hoch und steigt ins Cockpit des Simulators. Das Monocoque erinnert auf den ersten Blick an eine Seifenkiste, verfügt aber […]

Die Anlage füllt den grossen fensterlosen Raum. Neel Jani klettert hoch und steigt ins Cockpit des Simulators. Das Monocoque erinnert auf den ersten Blick an eine Seifenkiste, verfügt aber über alle für den Simulatortest entscheidenden Elemente des neuen Porsche 99X Electric.
Wie im echten Rennwagen
Das Sichtfeld stimmt, Jani hält das Original-Lenkrad in Händen – an jedem Knopf sind exakt dieselben Funktionen hinterlegt wie im echten Rennwagen. Vor ihm entfaltet sich das 180-Grad-Panorama der Rennstrecke von Paris. Hinter ihm im Kontrollraum, mit Blick zu ihrem Sim-Racer, haben Ingenieure vor ihren Rechnern Platz genommen.
«Loud and clear», bestätigt Neel Jani die Funkverbindung. Insgesamt vier Stunden lang tobt der 35-jährige Seeländer über den französischen Stadtkurs, auf dem am 18. April der neunte E-Prix der sechsten Formel-E-Saison stattfinden wird.
Nur die g-Kräfte fehlen
Im Raum wird es laut, wenn Jani mit voller Geschwindigkeit über Randsteine fährt. Mauern und Kurven fliegen förmlich auf den Piloten zu, der oben im Cockpit jeden Richtungswechsel, Bremsvorgang und kleinste Unebenheiten spürt. Was er nicht fühlt, sind die langanhaltenden hohen g-Kräfte, die in der Realität beim Verzögern und in Kurven insbesondere die Nackenmuskulatur stark belasten.
Ähnlich wie auf See passen optische Wahrnehmung und Signale des Gleichgewichtsorgans nicht zusammen. Das Gehirn muss abstrahieren, manchen Fahrern wird sogar übel. Von aussen wirkt die Szenerie fast unwirklich: Auf der polierten Stahlplatte gleitet die Spinne ruckartig hin und her, verrenkt sich, bebt. Das geht volle 45 Minuten so, bis das virtuelle Rennen endet.

Wichtige Vorarbeiten
Die im Simulator eingespeisten Profile sind hochpräzise, sie basieren auf millimetergenauen Scans. So vermittelt das Training detaillierte Streckenkenntnis und erlaubt zugleich eine spezifische Basisabstimmung für die einzelnen Porsche-Rennwagen.
Die wichtigste Aufgabe der Formel-E-Vorbereitung im Simulator bildet allerdings die Erprobung verschiedener Softwareprogramme zum effizienten Energiemanagement. Zu jeder Sekunde muss möglichst viel elektrische Energie zur Verfügung stehen. Die beim Start vollgeladene Einheitsbatterie hat eine Kapazität von 52 Kilowattstunden. Während des Rennens wird sie durch Rekuperation beim Bremsen kontinuierlich nachgeladen. Diese Energierückgewinnung erfolgt automatisiert über die E-Maschine an der Hinterachse.
Rechnung mit vielen Unbekannten
Der Rennverlauf selbst ist eine Rechnung mit lauter Unbekannten. Die Software-Entwickler ertüfteln verschiedene Betriebsprogramme. Diese gehören zu den am besten gehüteten Geheimnissen der Teams. Das Portfolio der Software-Funktionen wächst täglich, und die Fahrer müssen den Umgang damit sicher beherrschen. Denn im Rennen hängt alles von ihnen ab.
«Die Ingenieure können uns von der Box aus kaum helfen», sagt ein sichtlich erschöpfter Neel Jani, als er dem Simulator entsteigt. «Telemetrie ist in der Formel E verboten, wir müssen allein entscheiden, welchen Modus wir abrufen.»

Dieser gekürzte Beitrag von Heike Hientzsch ist in voller Länge im Magazin Christophorus erschienen.
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