Test: Lucid Air – Endlich keine Reichweitensorgen mehr

Wie einst auch Tesla in Kalifornien beheimatet, aber ansonsten ganz anders: Das ist die Elektro-Luxusautomarke Lucid. Was der edle Amerikaner mit Leistung und vor allem mit unglaublich viel Reichweite alles kann, zeigt die Luxuslimousine Air im Autosprint-Test.

Fotos: Lucid Air

Die bereits 2007 als Atieva gegründete Marke Lucid Motors träumte lange von eigenen Autos. Doch sowas nimmt Zeit und Geld in Anspruch. Aber 2021 war es dann nach rund sieben Jahren Entwicklungszeit so weit. Die Crew um Peter Rawlinson, also dem ehemaligen technischen Leiter bei Tesla, und dem vormaligen Mazda-Designchef Derek Jenkins stellte den eleganten Lucid Air vor. Inzwischen umfasst die Palette die E-Luxuslimousine in vier Varianten und mit dem Gravity einen SUV. Die Lucid-Stromer glänzen mit Power bis zu 920 kW/1251 PS und Reichweiten von fast 700 bis annähernd 1000 Kilometer und lassen herkömmliche E-Modelle alt aussehen. Dennoch sind die Lucids noch selten – bislang wurden in der Schweiz erst knapp 60 verkauft. Eigentlich schade, denn so viel vorab: Unser Lucid Air «Grand Touring» überzeugte im Test mit Komfort, Platz, Power und vor allem Reichweite – und macht wirklich richtig was her.

Echt edel gemacht: Das edel und tadellos verarbeitete Interieur mit viel Leder, hübschen Holzintarsien und Chromdetails, die modernen Luxus widerspiegeln und auch gut zu den grossen, elegant integrierten Bildschirmen passen, gefällt. Irgendwie dazu unpassend: das altertümlich wirkende Blinkgeräusch – wie ein Metronom, der nicht ganz im Takt ist. Dafür ist Blinkersetzen mit einem anderen coolen Effekt verbunden: Im riesigen 34-Zoll-Info-Display des Cockpits erscheint nämlich ein Kamerabild der entsprechenden Fahrzeugseite und zeigt, was sich im sonst toten Winkel tut! Ein cleveres und praktisches Feature im Air, der auch ohne viele Tasten mit einer sehr intuitiven Bedienung punktet. Der grosse Touchscreen in der Mittelkonsole verlangt kein langes Wühlen durch Untermenüs: Ohne grosse Ablenkung gönnen wir uns eine Massage. Für die einen sind die 20-fach verstell- und beheizbare Vordersitze mit Belüftung und eben Massage eine Spielerei, für die anderen ist das Durchgeknetetwerden der pure Luxus.

Platz wie in einer Staatslimousine: Raum gibt es vorne und im Fond massig. Hinten fühlen wir uns wie in einer Staatslimousine, strecken locker die Beine. Ein Hauch mehr Kopffreiheit wäre im Fond vielleicht angebracht, aber das ist der coupéhaften Dachlinie der langen Limousine geschuldet. Ein Aha-Erlebnis gibt es beim Öffnen des Kofferraums. Denn dabei schwingt fast das komplette Heck samt LED-Rückleuchten und Seitenbereich nach oben. Ungewöhnlich, dafür passen auch breitere Gegenstände locker in den 627 Liter grossen Kofferraum, den man durch Umklappen der Rücksitze auf 1552 Liter erweitern kann. Hat man doch noch weiteren Platzbedarf im Lucid Air, dann ab mit dem Gepäck in den 283 Liter fassenden Frunk in der Front.

Agil und geschmeidig unterwegs: Die stattliche Limousine mit ihrem adaptiven Fahrwerk weiss durch gutes Fahrverhalten zu überzeugen. Sie wirkt nämlich klar handlicher, als ihre Dimensionen (L x B x H: 4,98 x 1,94 x 1,42 Meter) es vermuten lassen und fährt sich ganz ausgesprochen gediegen. Drei Fahrmodi stehen zur Wahl, und «Smooth» – auf Deutsch etwa «geschmeidig» – passt ausgezeichnet und fährt sich auch genau so. Nur kleinere Unebenheiten auf den Überlandstrassen steckt der Ami für eine Luxuslimousine nicht ganz so gut weg wie die etablierte deutsche Konkurrenz. Jammern auf sehr hohem Niveau, denn sonst ist der Komfort super. Und klar könnten wir im Modus «Sprint» 0 auf 100 km/h in 3,2 Sekunden absolvieren. Aber das ist gar nicht nötig: Der Allradler liefert bei 1200 Nm und 611 kW/831 PS Leistung satt.

Reichweite fast ohne Ende. Auch wenn man die Leistung für immer wieder mal abruft, lohnt es sich gar nicht erst, die Reichweite der Elektro-Flitzers im Auge zu behalten. Die ist nämlich enorm und scheint kaum zu schwinden; erst von Zürich nach Bern, noch in den Jura und über Basel zurück, und am nächsten Tag ohne Laden immer noch fast 300 Kilometer Restreichweite und nach Luzern. Was will man mehr? Der unfallstrategisch sicher im Boden untergebrachte 112-kWh-Akku mit 900-Volt-Technik liefert offiziell 839 Kilometer Reichweite (WLTP). Im Test waren es trotz kühler Temperaturen über 600 Kilometer. Da muss sich die Konkurrenz warm anziehen!

Braucht man dann doch mal neuen Saft, könnte der Lucid Air «Grand Touring» mit bis zu 300 kW laden und so innert rund einer Viertelstunde Strom für fast 400 Kilometer ziehen. Im Test waren es bei nicht idealem Ausgangs-Akkustand und mangels erfolgter Vorkonditionierung zwar nur rund 100 kW, aber immerhin. Luxus, Leistung und Reichweite haben natürlich ihren Preis. Der coole Amerikaner ist als «Grand Air» ab 135’000 Franken zu haben. Mit etwas weniger Leistung oder als Hecktriebler ist der Fünfplätzer jedoch schon ab 91’000 Franken erhältlich.

Pro & Contra
Lucid Air «Grand Touring
»
+ Enorm viel Platz
+ gediegenes Interieur, sehr gute Verarbeitung
+ Reichweite bis zum Abwinken
– nerviges Blinkergeräusch
– etwas hölzern auf kurzen Unebenheiten

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