Kia EV4: So schön normal kann Stromern sein
Es muss eben gar nicht immer ein SUV sein: Der Kia EV4 zeigt mit massig Reichweite und bald sogar Allrad, dass auch Kompaktwagen überzeugend stromern können.

Gegensätze ziehen einander nicht immer an: Eigentlich widersprechen sich der SUV- und der Elektro-Trend. Schwerer, höher, breitbereifter und weniger windschlüpfig sind SUV der natürliche Feind von Reichweite. Kia setzt ein Ausrufezeichen in die Gegenrichtung: Der EV4 ist zwar elektrisch, will sonst aber einfach ein Alltagskompaktwagen der Golf-Klasse sein.
«Wir wollen alle wesentlichen Marktsegmente abdecken», begründet Francesco Conti vom Produktmarketing Kia Europa. «Drei Viertel der E-Käufer kommen vom Kompaktsegment.» Kia rechnet vor, dass 2030 die Hälfte (aktuell ein Fünftel) aller E-Verkäufe zur «Golf-Klasse» zählen. Und platziert den EV4 gegen Opel Astra Electric, Peugeot E-308, VW ID.3 und Co.
EV4 aus Europa für Europa
Übrigens gibt es den EV4 ausser mit Schräg- auch mit Stufenheck. Die Schrägheckvariante (die wir hier ausschliesslich zeigen) ist in Europa entwickelt und gebaut und entspricht hiesigem Geschmack. Die Stufenheckvariante EV4 Fastback ist global wichtig, statt 4,43 stolze 4,73 Meter lang – aber wieso sie bei uns angeboten wird, schleierhaft: Stufenheck-Kompakte sind in der Schweiz nicht mal eine Nische, und das Heck ist gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig.
Solche Patzer leistet sich der Schrägheck-EV4 nicht. Übers Kia-Design (und die stylischen, aber begrenzt praktischen Ausklapp-Türgriffe) darf gestritten werden, aber hier steht ein cool-stimmiger Flitzer. Auch innen: Qualitativ und gestalterisch darf sich da manch teurere Marke eine Scheibe abschneiden. Die Bedienung wirft trotz der verschiedenen Screens nie Rätsel auf. Prima: Das Handy dient als Schlüssel, Navi-Routen mit Ladestopps lassen sich gleich zuhause in der Kia-App planen, und die Totwinkel-Kamera bei Blinker-Aktivierung ist einmal mehr genial. Die Assistenten bis hin zum Fernparkieren per App sind ungeheuer zahlreich, lassen sich aber – danke! – simpel zum Verstummen bringen (Tempolimit-Warner nervt? Druck auf den Lautstärke-Knopf genügt.). Platz gibt es reichlich, der Fond dürfte einer der grössten der Liga sein. Schade: Füsse passen nicht unter die Vordersitze. Dennoch sitzen wir sehr bequem.

Ausgewogenes Gesamtpaket
Wie fährt er denn, der EV4? «Ausgewogen» trifft es am besten: Je nach Radgrösse ist der Komfort sehr gut bis exzellent. Und der EV4 lässt sich gerne auch flott um Kurven treiben, selbst wenn die Lenkung etwas luftig agiert – Gewöhnungssache. Was zählt, ist der deutlich tiefere Schwerpunkt als in all den modischen SUV bei Kurven, bei doch guter Übersicht und Einstiegshöhe. In der Stadt geniessen wir die kompakten Masse. Der E-Motor hat 150kW/204PS, entfaltet die Power gleichmässig und trägt dazu bei, dass der EV4 auffällig leise bleibt.

In Sachen Reichweite kommt es auf den Akku (58 oder 81 kWh) an: 440 oder 625 Kilometer sagt die WLTP-Norm. Auf unserer Probefahrt im Topmodell «GT-Line» (nur mit dem grossen Akku) läuft es trotz überwiegend flotter Gangart zwar nicht auf über 600, aber doch über 520 Kilometer hinaus – in dieser Fahrzeugklasse enorm. Selbst im Winter dürften also minimal stets über 400 Kilometer drin liegen. Ein Patzer: Das Ladetempo ist bescheiden. An der AC-Wallbox müssen 11 kW reichen, wobei es zuhause meist egal ist, ob es vier oder wie hier acht Stunden dauert. Am DC-Schnelllader: 128kW (30 Minuten von 10 auf 80 Prozent).
Fazit: Das sollte ankommen
Den Kia EV4 gibt es ab 36’450, mit grossem Akku ab 43’450 und als in der Schweiz stets gerne genommenes, quasi vollausgestattetes «GT-Line»-Topmodell ab 51’950 Franken. Das ist fair. Start ist Anfang des Jahres. Im Laufe 2026 sollen Allrad und mehr Power (angeblich bis gegen 300PS) folgen. Ach so: Sollte jemand das Stufenheck wollen, kostet es 1000 Franken mehr. Fazit: Endlich mal wieder ein Nicht-SUV-Stromer – und zwar ein richtig guter.



