Mercedes W 108/109: Sechs Jahrzehnte Eleganz
Vor 60 Jahren kam eine der elegantesten Limousinen zur Welt. Wir schauen uns die Mercedes S-Klasse der Baureihe W 108/109 an und geben eine Kaufberatung.

Wie konnte das nur passieren? Diese Frage stellte sich Anfang der 1960erJahre wohl die Chefetage «beim Daimler» (wie der Schwabe sagt): Die Heckflossen-Modelle von 1959 waren innovativ (erste Sicherheitszelle mit Knautschzonen). Aber modischer Klimbim wie Mini-Heckflossen, verschämt als «Peilstege» angepriesen – an einem Auto mit Stern? Würdelos. Also künftig bitte zeitlos-elegant. Heraus kam 1965 die Baureihe W 108/109, heute meist 108er gerufen.
Die erste echte S-Klasse
Historisch darf der W 108/109 (109 = Luftfederung) als erste echte S-Klasse gelten. Zwar verwendete Mercedes selbst diesen Begriff erst beim Nachfolger W 116. Doch zum ersten Mal sollten Basis- und S-Modelle (S = Sonderklasse) eigene Karosserien von Designchef Paul Bracq tragen. Verblüffend: Anfangs wurde der 108er teils als zu schmucklos kritisiert. Doch bald galt er als Design-Meisterstück und tut es bis heute. In zwei Längen (4,90/5,00 Meter) gab es Sechs- oder Achtzylinder mit 130 bis 250PS. Bis 1972 entstanden 382 000 Stück, damals enorm für eine Luxuslimousine.
Bis heute schwebt der 108er wunderbar komfortabel und meist schön zuverlässig dahin. Das Gefühl beim würdevoll aufrechten Sitzen am XL-Volant: Der Herr Bankdirektor kommt. Dabei schweift der Blick über Edelholz, wobei das Interieur der frühen Modelle im Detail noch nostalgischer ausfällt als in späteren Modellen. Häufig nachgerüstet wurden übrigens die anfangs nur bei den US-Versionen verbauten, später im Topmodell und am Ende generell serienmässigen Doppel- statt Bandscheinwerfer. Die Leistung reicht zum problemlosen Mitschwimmen im Verkehr, und gegenüber anderen Autos derselben Epoche bietet der 108er vergleichsweise problemloses Fahrverhalten und gute Crashsicherheit.
Eine kleine Kaufberatung
Heute ist die Beliebtheit des 108ers als Oldtimer gross und das Angebot breit, darunter manch Reimport aus den USA. Gute Fahrzeuge rollen ab etwa 25 000 Franken an. Bei den Sechszylindern sind 280S und SE (E = Einspritzung) häufiger und populärer, weil die frühen 250S und SE nicht vollgasfest waren. Heute darf man das im oldietypischen Betrieb freilich ignorieren (wie der Autor dieser Zeilen, der selbst einen 250 SE bewegt). Souverän und etwas teurer sind die V8er; hier ist der 280 SE/SEL 3.5 beliebt. Die 108er-Mechanik ist robust, mit Vorsicht zu geniessen sind jedoch bei Revisionen der Alumotor des 300 SE, die Luftfederung, das elektrische Schiebedach sowie der Überflieger-V8-Typ 300 SEL 6.3: Da sind Defekte teuer. Rost? Ja, und wie, die meisten 108er holte sich die braune Pest. Aber Schweizer Autos sind meist längst vollrestauriert; bei Importen gilt es aber, gut hinzuschauen.




